39. Tag - Ich habe meinen Meister gefunden
English Version below
... aber wir sind mit einem Unentschieden auseinander gegangen! Heute war definitiv der härteste, schlimmste, anstrengendste oder wie auch immer Tag der ganzen Reise. Es gab Augenblicke, da hätte ich vielleicht sogar aufgegeben; es hätte nur jemand vorbeikommen müssen und mir einen Transport ins nächste Hotel anbieten müssen. Das Ziel Lissabon mit dem Fahrrad zu erreichen - in dem Augenblick egal!
Was mich heute auf den 113km fast gebrochen hat waren die immer wiederkehrenden steilen Anstiege. Man könnte sagen: wunderschöne, schroffe Bergwelt. Aber wenn es nach jedem Anstieg wieder tief ins Tal hinunter geht und du weißt, das du da drüben wieder 100 - 200 Höhenmeter hoch musst - dann macht mir das irgendwann nur noch Angst. - Da ist er wieder, der Till Eulenspiegel, der mich in Gedanken bereits in Nordfrankreich besucht hat.
Bestimmt fünf Mal war es so steil, dass ich schieben musste. Und das bei mir, wo ich immer sage, dass schieben mit Gepäck noch anstrengender ist, als im ersten Gang zu fahren. Ja stimmt, aber eben auch nur, wenn es nicht zu steil ist.
Aber irgendwie bin es dann doch halt immer wieder. Musik auf die Ohren, um mich abzulenken (besonders die "Geburtsmusik" der drei Kinder hat hier wirklich positiv geholfen) und nicht ständig in selbstzerfleischenden Monologen zu kreisen.
Aber auch fluchen muss in solchen Momenten sein. ... Dass kann doch nicht sein, dass mich meine App den richtigen Weg führt - die müssen doch einen falschen Algorithmus haben - welcher Idiot hat den eigentlich programmiert .... Welcher Hornochse hat eigentlich diese Wege mitten durch die Berge gemacht ... Das sind doch niemals echte Straßen, bestenfalls Wanderwege, wo man Asphalt drauf geschüttet hat... Und jetzt kommt auch noch der Wind in Böen von vorne...
Und was man sonst noch alles so in seiner inneren Wut und Verzweiflung denkt und von sich gibt.
Am Ende bin ich dann in Viseu in einem guten Hotel gelandet, habe versucht mit ein paar Dehnübungen etwas Milderung in die Muskeln zu bringen, vor den Schmerzen der Nacht. Und bin dann noch auf einen kleinen Abendspaziergang durch die Stadt gegangen, inkl. einer Pizzeria, wo ich alleine eine Maxi Pizza für zwei gegessen habe (aber mir ist auch etwas schlecht danach).
Also, was lerne ich aus dem Tag? - Noch einmal will ich das nicht erleben! Bessere Planung der nächsten Routen, vielleicht kürzere Tagestouren? Vielleicht doch etwas mehr manuelle Routenführung anstelle der App ( Google kann man wirklich vergessen, wollte mich gestern 2x durchs "Gebüsch" führen) - mit mehr Umwegen, dafür aber flacher? Vielleicht doch eine andere Route als über Coimbra mitten durchs Land nach Lissabon? Ich werde mir Morgen mal darüber Gedanken machen und auch Joao befragen.
Nun nach dem ganzen Klagen und Wehleiden (Danke, dass Ihr das ausgehalten habt - muss auch mal sein), nun aber auch noch ein paar Eindrücke von der Tour.
Also dass es extrem bergig rauf und runter ging schrieb ich ja schon. Viel Kiefernbewuchs, wenig Olivenbäume, kaum Getreideanbau. Die so heimeligen Steinmauern sind kaum noch da. Die Dörfer wirken noch ausgestorbener als anderswo. Wenn man mal Menschen sieht, dann sind es vornehmlich alte Menschen. Und ein Schild gibt es fast in jedem Dorf: Centro do Dio, häufig mit einem Symbol für ältere Menschen drauf - der Hinweis auf den Tagesaufenthaltsraum / Zentrum für die älteren Bewohner.
Dafür viel mir wieder das Standardauto des Portugiesischen Hinterlandes auf: Japanische Pick Ups. Aber eben nicht aufgemotzt wie die merkmanischen, sondern einfache Arbeitsvehikel. Die nehme ich immer wieder wahr, wenn ich in Portugal außerhalb der Städte unterwegs bin.
Und auch dem Symbol des Jakobsweges bin ich einmal wieder begegnet - irgendwo hier muss scheinbar ein Portugiesischer Ableger gen Norden führen, um später mit dem Hauptweg nach Santiago do Compostela zusammen zu kommen. War irgendwie ein schöner, fast schon heimelieger Anblick - irgendwie vertraut.
English Version
... but we parted ways with a draw!
Today was definitely the hardest, worst, most exhausting or whatever day of the whole trip. There were moments when I might have even given up; someone just had to come along and offer me transport to the next hotel. Reaching the destination of Lisbon by bike - at that moment it didn't matter!
What almost broke me today on the 113km were the repeated steep climbs. You could say: beautiful, rugged mountain scenery. But when after every climb it goes deep down into the valley and you know that you have to climb another 100 - 200 meters over there - then at some point it just scares me. - There he is again, Till Eulenspiegel, who has already visited me in my thoughts in northern France.
At least five times it was so steep that I had to push. And that's for me, who always says that pushing with luggage is even more exhausting than cycling in first gear. Yes, that's true, but only when it's not too steep.
But somehow I always do. I listen to music to distract myself (the "birth music" of my three children was particularly helpful here) and not to keep going around in self-lacerating monologues.
But I also have to curse in moments like these. ... It can't be that my app is leading me on the right path - they must have the wrong algorithm - what idiot actually programmed it.... What idiot actually made these paths through the middle of the mountains... They are never real roads, at best hiking trails where asphalt has been poured on... And now the wind is blowing in gusts from the front...
And all the other things you think and say in your inner anger and despair.
In the end I ended up in a good hotel in Viseu, and tried to ease my muscles a little from the pain of the night with a few stretching exercises. And then I went for a little evening walk through the city, including a pizzeria, where I ate a maxi pizza for two by myself (but I feel a bit sick afterwards).
So, what did I learn from the day? - I don't want to experience that again! Better planning of the next routes, perhaps shorter day trips? Maybe a little more manual route guidance instead of the app (you can really forget about Google, yesterday it wanted to lead me through the "bushes" twice) - with more detours, but flatter? Maybe a different route than via Coimbra through the middle of the country to Lisbon? I'll think about it tomorrow and ask Joao too.
Now after all the complaining and whining (thanks for putting up with it - it has to happen sometimes), now a few impressions from the tour.
I already wrote that it was extremely hilly, up and down. Lots of pine trees, few olive trees, hardly any grain cultivation. The cozy stone walls are hardly there anymore. The villages seem even more deserted than anywhere else. If you do see people, they are mostly old people. And there is a sign in almost every village: Centro do Dio, often with a symbol for older people on it - the reference to the day room / center for older residents.
Instead, I noticed the standard car of the Portuguese hinterland again: Japanese pick-ups. But not souped up like the Mercantile ones, just simple work vehicles. I see them again and again when I'm out of town in Portugal.
And I also came across the symbol of the Way of St. James again - somewhere here a Portuguese branch must apparently lead north to later join the main path to Santiago do Compostela. It was somehow a beautiful, almost homely sight - somehow familiar. German Version