30. Tag - Streckenrekord und das Biest kommt näher
English Version below
Heute habe ich wirklich Kilometer geschrubbt. Angetrieben vom leichten Rückenwind bin ich insgesamt 145 km rauf und runter gefahren, Über eine sehr lange Zeit auf einer großen Ebene, die bedeckt war von Bäumen unter herrlich blauem Himmel. Immer um die 30-37 Grad hat mein Tacho angezeigt.
Gelandet bin ich hier in der Nähe von Segovia. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust auf zelten und wollte mir eine Herberge oder ein Hotel suchen, aber weit und breit gab es nichts. Also wieder meine Flaschen und den Wassersack aufgefüllt und rechts ab vom Weg. Ich dachte ich hätte einen sehr gutes Plätzchen auf einer Wiese, unterhalb einer Felswand gefunden, aber der Platz liegt quasi direkt an einem kleinen Wanderweg vom / zum nächsten Dorf. Als Folge hatte ich heute Abend schon einige Besucher, die mir einen freundlichen guten Abend gewünscht haben. Die Spanier scheinen aber mit Wildzelten relativ unkompliziert zu sein.
Heute habe ich zur Abwechslung mal den MP3 Player rausgeholt und meine all-time-favorite Laufmusik gehört. Das war so toll; ziemlich allein auf der Hochebene, nur die Räder surren auf dem Asphalt und unendliche sanft geschwungene Weite. Laut mitgesungen und auf einmal sind mir einfach so die Tränen gekommen. Eine Art "Bicyclers High"; etwas vergleichbar mit meinem 2019er Hamburg Marathons, wo ich die letzten 5km unter Glückstränen gelaufen bin. Endorphinausschüttung par excellance; Runners High.
Meine Mittagsrast habe ich in einem kleinen Dorf mit einem Brunnen unter Bäumen verbracht. Es gab wie üblich einen großen Joghurt, einen Apfel, eine Banane und eine Nektarine - alles irgendwie nach und nach in den Joghurt hineingestopft. Dazu ein bisschen Brot und Wasser. Nach dem Mittagessen habe ich mich einfach in den Schatten gelegt und ein bisschen die Augen zugemacht. Tatsächlich bin ich fest eingeschlafen und nach einer dreiviertelstunde wieder aufgewacht. Dieses Fähigkeit sofort einschlafen zu können habe ich von meinem Vater geerbt, der konnte das auch.
Das hat mich am Nachmittag auf die Gedankenreise geschickt, was wir (was ich) von unseren Eltern, Mutter oder Vater bewusst oder unbewusst mitbekommen haben. Von meinem Vater neben dem guten Schlaf auf jeden Fall das positiv in die Welt hineinschauen. Jemand sagte mal zu mir "Rüdiger, du bist der positivste Mensch den ich kenne". Wenn mein Vater nicht in seinem Innersten ein durch und durch positiver Mensch gewesen wäre, hätte er sein Schicksal niemals überlebt. Bei den Rückschlägen, die er in seinem Leben erleiden musste hätte er sich vielleicht eher einen Strick genommen. Aber nein, es wird immer einen neuen Morgen geben! Etwas von Luthers Apfelbäumchen. Das er an mich und ich glaube auch an meinem Bruder weitergegeben. Von meiner Mutter habe ich einen ganz starken Willen mitbekommen, gepaart mit einem Gottvertrauen. Ja, du sollst immer alles selbst versuchen und alles Notwendige dafür tun. Aber du darfst auch darauf vertrauen, dass da noch etwas anderes ist was dir hilft. Ein Stück weit ein Kinderglaube, aber mit einer unglaublichen Kraft.
Was ich nicht herausbekommen habe ist woher ich dieser Abenteuerlust habe, Reiselust von beiden Eltern, eher vom Vater. Aber diesen Abenteuerhunger, das kann ich nicht genau verorten. Vielleicht inspiriert von "Sir Survival" - Rüdiger Nehberg, bei dem wir früher manchmal Brot gekauft haben.
In dem Video seht ihr zwei Sequenzen einmal in der Ebene aufgenommen mit Bäumen links und rechts und einmal während eines Anstieges. Das ging ganz schön bergauf, man sieht gar nicht wie sehr ich geschwitzt habe. Zum Schluss einmal die Belohnung eine kurze Sequenz; wieder oben auf der Ebene und diese unendliche Weite zu genießen. Hier könnte man prima ein wunderbares Motiv für ein Roadmovie finden.
Morgen gehe ich das Biest an, ich habe noch keine Ahnung was mich genau erwartet, ich weiß nicht wie hoch es werden wird. Ich weiß nur, dass ich da irgendwie rüber muss. Das war der Grund, warum ich heute möglichst viele Kilometer machen wollte, damit ich morgen ohne Druck den Berg gehen angehen kann. Auf zur finalen Etappe nach Madrid.
PS habe heute die 3000km überfahren 🍾
English Version
Today I really racked up the miles. Driven by the light tailwind, I cycled a total of 145 km up and down, for a very long time on a large plain covered in trees under a beautiful blue sky. My speedometer always showed around 30-37 degrees.
I ended up here near Segovia. I actually didn't feel like camping at all and wanted to look for a hostel or a hotel, but there was nothing anywhere. So I filled up my bottles and water bag again and turned right off the path. I thought I had found a very good spot on a meadow, below a rock face, but the place is basically right on a small hiking trail from/to the next village. As a result, I had a few visitors this evening who wished me a friendly good evening. The Spanish seem to be relatively uncomplicated with wild camping, though.
Today, for a change, I got out my MP3 player and listened to my all-time favorite running music. It was so great; pretty much alone on the plateau, only the wheels whirring on the asphalt and endless, gently curved expanses. Singing along loudly and suddenly the tears came. A kind of "bicyclists high"; something comparable to my 2019 Hamburg Marathon, where I ran the last 5km with tears of joy. Endorphin release par excellence; runners high.
I spent my lunch break in a small village with a fountain under the trees. As usual, there was a large yogurt, an apple, a banana and a nectarine - all stuffed into the yogurt little by little. Plus a bit of bread and water. After lunch, I just lay down in the shade and closed my eyes a little. I actually fell fast asleep and woke up again after 45 minutes. I inherited this ability to fall asleep immediately from my father, he could do it too.
That afternoon, that sent me on a journey of thought about what we (what I) consciously or unconsciously learned from our parents, mother or father. From my father, in addition to good sleep, I definitely learned to look at the world in a positive way. Someone once said to me, "Rüdiger, you are the most positive person I know." If my father hadn't been a thoroughly positive person at heart, he would never have survived his fate. With the setbacks he had to endure in his life, he might have been more likely to hang himself. But no, there will always be a new morning! Something from Luther's apple tree. Which he passed on to me and, I believe, to my brother too. From my mother, I got a very strong will, coupled with a trust in God. Yes, you should always try everything yourself and do everything necessary to achieve it. But you can also trust that there is something else that will help you. A bit of a child's faith, but with incredible power. What I haven't figured out is where I got this thirst for adventure from, a thirst for travel from both parents, more from my father. But I can't pinpoint this thirst for adventure. Perhaps inspired by "Sir Survival" - Rüdiger Nehberg, from whom we sometimes used to buy bread.
In the video you can see two sequences, one recorded on the flat with trees on the left and right and one during a climb. It was quite a climb, you can't even see how much I was sweating. At the end, the reward is a short sequence; back up on the flat and enjoying this endless expanse. This would be a great subject for a road movie.
Tomorrow I'll tackle the beast, I have no idea what exactly awaits me, I don't know how high it will be. I just know that I have to get over it somehow. That was the reason why I wanted to do as many kilometers as possible today so that I can tackle the mountain tomorrow without any pressure. On to the final stage to Madrid.
PS I passed the 3000km today 🍾